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Anfang August verschlug es uns für die Hochzeit einer Freundin nach Polen. Ein aufregendes Wochenende mit vielen Erfahrungen, Bekanntschaften und der Vermutung, dass es doch nicht immer der Urlaubsort sein muss, der gerade am bekanntesten ist. Folgend also ein kleiner Reisebericht in Form eines Travel Diary aus Rzeszów, Polen.

Santorini, Ibiza, Berlin und Paris.
Japan, Brasilien, Australien und Spanien.
Wir scheinen uns alle in unseren Urlaubsvorstellungen zu ähneln, sonst würden wir doch nicht, obwohl die Erde so groß ist, alle die gleichen Länder und Städte favorisieren.

Oder?

Ankunft im unentdeckten Rzeszów

Freitags Ankunft, dazu wohltuender Sonnenschein, drückende Mittagshitze.
Ein Flughafen, etwa 10 km entfernt vom Stadtzentrum, strahlt Ruhe aus. Ein weitläufiger Parkplatz, eine kleine Bushaltestelle ohne Fahrplan, aber mit Bus, dafür ohne Fahrer. Wenige Schilder, wenn überhaupt, dann strikt auf polnisch. Von dieser europäischen Sprache kennen wir tatsächlich keins.
Menschen lehnen alleine oder mit ihren Kindern an der Flughafenwand im Schatten und warten. Es ist still. Alle sind sich einig und ruhen. Niemand rennt, niemand sieht fremd aus.

Dank einer zuvorkommenden Mitarbeiterin eines Car Renting Service kaufen wir Bustickets mit unseren neuen Zloty und sitzen schließlich in dem leeren Bus. Bis dieser sich füllt, erwärmt die Sonne durchs Fenster mein Herz mit Vorfreude für die nächsten Tage. Die Hochzeit einer sehr besonderen Freundin steht vor der Tür.

Mit dem wirklich günstigen Airportshuttle, umgerechnet ca. € 1,20,  gelangen wir in Nähe der Stadtmitte, steigen aber eine Haltestelle zu spät aus.
Der erste Spaziergang durch die Gassen von Rzeszów. Wir sind direkt beeindruckt vom schönen, aufgeräumten Altstadtflair. Freuen uns über kleine Bars und Restaurants, Kirchentürme in der Ferne und schon stehen wir vor unserem großen Hotel.
Wir beide hatten uns im Vorfeld nicht besonders um diesen Trip gekümmert, nicht recherchiert, nicht geplant. Schließlich sollte all unsere Zeit hier dem Hochzeitspaar und -gästen gewidmet sein. Aber auch: Wir haben beide nicht schrecklich viel von dieser Stadt erwartet, das muss ich gestehen.

Polen ging in meinem Kopf immer unter mit Assoziationen wie Ost und grau. Das liegt natürlich vor allem daran, dass ich mich nie für dieses Land interessiert habe und deswegen auch rein gar nichts darüber wusste.
Wie unsere Freundin später sagen wird: „Polen ist so ein schönes Reiseziel: Oben das Meer bis nach unten zu den Bergen, um Ski zu fahren. Und dann auch noch meistens viel günstiger als anderswo!“.

Unser Hotel scheint eins der größten und modernsten in Rzeszów zu sein. Wir staunen über unsere Lobby und die Größe und den Komfort unseres Zimmers. Allein der Teppich, der sich weiß mit schwarzen Noten gemustert über das ganze Zimmer zieht, wirkt anders.
Der Ausblick lässt einen Blick auf das Dach des Rathauses werfen. Wir entspannen uns kurz, machen uns frisch und verlassen zielstrebig das Hotel um wieder auf die schöne Gasse zu gelangen. Bis jetzt das Schmuckstück hier.
Noch wissen wir nicht, was für ein schöner Ort direkt hinter zwei Ecken verborgen liegt.

Es ist noch zu früh um nach der Anzahl von Gästen auf die Qualität eines Restaurants zu schließen. Schüchtern lassen wir uns auf einen Italiener ein. Wir bestellen beide Pizza, meine ohne Käse. Die Bedienung ist freundlich und auf Englisch knapp gehalten aber verständlich. Auch mein Extrawunsch wird verstanden und beachtet.
Wir bekommen das mit der Umrechnung von Zloty in Euro nicht so hin, sind dann mächtig erstaunt darüber, wie wenig Geld wir für unsere wirklich ausgezeichnete Pizza bezahlt haben.
Nach dem Essen treffen wir endlich auf das junge Brautpaar und kalifornische Freunde. Sie zeigen uns den wunderschönsten Marktplatz mit der größten Auswahl an Bars überhaupt. Wir stoßen selbstverständlich mit polnischem Bier an.
Schon bald verschwindet das Paar um sich für den nächsten Tag auszuruhen. Wir verbleiben noch eine Zeit gemeinsam und quatschen über dies und das, und dann doch über Politik.

Der Abend endet für uns mit einem Absacker in unserer Hotelbar. Wir nennen es: Kleine Vorbereitung auf die flüssigen Genüsse des folgenden Tages.

Tanzen, Sterne, klare Getränke – einmal um die Welt

Der nächste Morgen startet gemütlich mit viel Auswahl am Hotelbuffet. Wir knipsen noch ein, zwei Fotos von unserem Hotelbalkon, wünschen uns und dem Paar die Wolken hinweg und packen schon bald unsere Sachen.

Mit dem Taxi geht es dann in ein Restaurant, die spätere Location der Feier, leicht außerhalb der Stadt. Wir sind froh, dass wir Handys dabei haben und dem Fahrer die Adresse nur zeigen müssen. Aussprache der polnischen Namen fällt uns ersichtlich schwer.

Am Nachmittag geht es nun von hier zur Kirche. Der Regen hat die letzten Stunden nachgelassen und tröpfelt nun nur noch sanft. Die Hochzeitszeremonie ist vor allem schön anzusehen und rührt mich doch an manchen Stellen zu Tränen, auch wenn ich kein Wort der polnischen Zeremonie verstehe. Ein klarer Fall von Romantikerin.

Nach der Trauung macht sich die Hochzeitsgesellschaft wieder auf den Weg zum Restaurant.
Was dann folgt, ist: Unerwartet kreatives und besonders leckeres vegetarisches Essen für mich, viele Wodka Shots zum Anstoßen und noch mehr, Schwindelgefühle weil auch noch viele Tänze, viel Quatschen und die Bekanntschaft mit den interessantesten Menschen, viel Lachen, ein Schuhwechsel mitten in der Nacht, irgendwann viel Wasser und Kaffee und dann doch wieder Wodka weil alle so happy sind, mehr Tänze, ein kleines Eichhörnchen und der Sternenhimmel.

Auch wenn ich mehr Wodka und wahrscheinlich sogar generell mehr Alkohol als seit vielen, vielen Monaten getrunken habe, bin ich doch kopfstark genug gewesen, um immer alles aufnehmen und bestaunen zu können. Und auch um mich am frühen Morgen vorm Schlafen abzuschminken und einen Wecker für den nächsten Tag zu stellen, denn da ging es schon wieder heim.

Leicht müde und geschafft geht es wieder zurück zum Flughafen. Wir wissen nun, wie man den Namen dieser Stadt ausspricht, dass man mit den richtigen Amerikanern doch sehr viel und gut über Politik reden kann, dass die sauberste und leerste Altstadt wahrscheinlich nicht total bekannt ist, man hier schöne Fotos knipsen kann weil es einfach schön ist und, ganz wichtig, polnische Hochzeiten wahrscheinlich die aller besten sind.

Wir fühlen uns wie einmal um die Welt gereist, getragen von Geschichten der Gäste und dem Klang der polnischen Gesänge, Klirren der Wodka Gläser und dem gemeinsamen Rausch der Nacht. Fühlt sich nicht an, als wäre es um die Ecke. Ganz so nah ist es ja auch nicht, und doch wäre ich mit diesem Land gerne noch viel mehr verbunden.

One Reply to “Travel Diary // Für ein Wochenende in Polen”

  1. Ein Appell an starke Gefühle • hannicoco. says: 26. September 2018 at 12:27

    […] wir denn nicht vor lauter Freude Bauchschmerzen und stoßen wir uns denn nicht so oft die Zehen, wenn wir unser Glück kaum fassen können? Lohnt sich denn überhaupt etwas zwischenmenschliches, wenn es das Fahrrad nicht mal kurz […]

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